Griechenland: Kritik an langwierigem Prozess gegen Faschisten

mixaloliakos_vouli(Von der Parlamentsbank ins Gefängnis: Nikolaos Michaloliakos (re.), der Chef der Partei Goldene Morgenröte, und Christos Pappas (2. von li.). Die Fraktion zählt derzeit 16 Abgeordnete; acht von ihnen sind in Haft, zwei Parlamentarier traten aus).

(Text: Markus Bernath, Der Standard, 27/11/2014)

Vor einem Jahr wurden der Chef der griechischen Faschistenpartei und seine Anhänger verhaftet, der Prozess verzögert sich.

Seit sie in Korydallos sitzen, Athens größtem Gefängnis, ist Ruhe. “Keine Angriffe auf der Straße, keine dieser geplanten wöchentlichen Messerstechereien – einmal gegen die Homosexuellen, das nächste Mal gegen die Immigranten. Nichts”, sagt Petros Konstantinos, der Linksaußen-Stadtrat und eingeschworene Gegner der griechischen Faschisten. “Das beweist nur, dass es keinen gewalttätigen Rassismus in der griechischen Gesellschaft gibt. Es war alles nur das Werk einer kriminellen Organisation.”

Entscheidung lässt auf sich warten

Im November vor einem Jahr sind die Führer von Chrysi Avgi, der Goldenen Morgenröte, verhaftet worden, allen voran Parteichef Nikolaos Michaloliakos. 68 Angeklagte, darunter alle 16 Parlamentsabgeordnete der Faschistenpartei, sollen sich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, manche auch wegen Mordes oder versuchten Mordes verantworten.

Der Prozess war für diesen November angekündigt, doch die Entscheidung des Staatsrats, des obersten Verwaltungsgerichts in Griechenland, über die Eröffnung eines der wohl wichtigsten Strafverfahren in der Nachkriegsgeschichte des Landes lässt auf sich warten. Der Prozessbeginn mag sich nun bis Februar hinziehen, so mutmaßt Takis Zotos, einer der Opferanwälte. Es hängt von der politischen Entwicklung ab, sagt er; und davon, ob es vorgezogene Wahlen gibt.

Offen nach rechts

Denn die innenpolitische Gleichung mit den Faschisten, die im verarmten Griechenland weiter um die zehn Prozent der Stimmen bekommen, ist komplexer, als man annehmen möchte. Hätte es nicht diesen großen öffentlichen Aufschrei nach der Ermordung des populären Hip-Hop-Sängers Pavlos Fyssas in einem Café in Piräus im September 2013 gegeben, so versichern die Anwälte, dann wäre es einfach so weitergegangen. Die Regierung des rechts stehenden Premiers Antonis Samaras hätte die Messerstecher und Schläger der Goldenen Morgenröte gewähren lassen.

Vergangenen April musste ein Berater von Samaras zurücktreten: Takis Baltakos, so kam heraus, traf sich öfters mit Politikern der Faschistenpartei und sandte ihnen Textmitteilungen, wie sie etwa Gesetzesentwürfe des Justizministers, die dem Premier nicht passten, niederstimmen sollten.

“Politische Kalkulationen”

“Wenn die Beweise, die in den Akten sind, im Zentrum des Verfahrens stehen, haben wir keine Zweifel, dass der Prozess mit einer Verurteilung endet”, sagt Thanassis Kampayannis, ein anderer Anwalt. “Sollten sie aber wegen irgendwelcher politischen Kalkulationen nicht im Mittelpunkt stehen, ist der Ausgang offen.”

Umfragen sagen weiterhin einen Sieg der linksgerichteten Partei Syriza bei vorgezogenen Wahlen voraus; sie liegt demnach zwischen 11,5 und 3,5 Prozentpunkten vor der konservativen Nea Dimokratia. Einer Umfrage zufolge wünscht eine Mehrheit der Griechen aber keine neuen Parlamentswahlen. Syriza verspricht eine Teilannullierung der griechischen Staatsschulden. Die beiden Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben am Donnerstag wieder zu einem Generalstreik aufgerufen.

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